Geistiges Eigentum, der Weg in eine Feudalgesellschaft ?


Am Freitag war wieder Netzkongress, nicht von den Piraten, sondern der zweite Versuch der Gruppierung CSU_net innerparteilich Aufklärung zu betreiben.
War der erste Netzkongress noch substanzvoll, war der heutige nur ein Aufguss dessen was vor gut einem Jahr bereits formuliert wurde bzw. die logische Konsequenz dessen.

Spannender waren die Diskussionen am Rande, ausgelöst durch Stoibers Rede zum Thema geistiges Eigentum.

Immer wieder steht der Vorwurf im Raum wir Piraten wollten das geistige zerstören und ohne geistiges Eigentum stehen wir am Rande des Weltuntergangs (vgl. B5aktuell, Funkstreifzug, 18.03.2012).

Was ist geistiges Eigentum ?
Das Schaubild oben beschreibt in welchem Zusammenhang der Begriff geistiges Eigentum verwendet wird.
Mitte des Jahrhunderts als Begriff geboren für die Vergütung von Schriftstellern, entwickelten Ende des 18. Jahrhunderts Kant und Fichte eine naturrechtliche Begründung als Rechtfertigungsstrategie.
Mittlerweile wird der Begriff des geistigen Eigentums aber sowohl bei Patenten, Urheberrechten und Verwertungsrechten verwendet.

Und das wollen die Piraten zerstören ?
Ja, denn der Begriff des geistigen Eigentums ist ein Kunstbegriff, der geschaffen wurde um die wirtschaftlichen Interessen einer Gruppe von Menschen zu regeln. Dies ist nun mehr als 300 Jahren her und vollkommen aus dem Ufer gelaufen. Mit dem Kampfbegriff geistiges Eigentum werden die Grundlagen unserer Kultur, unserer Wissenschaft und daraus unsere Wirtschaft angegriffen.

Das Urheberrecht schützt in erster Linie nicht mehr die Schöpfungen von Kulturschaffenden, sondern verteidigt veraltete Geschäftsmodelle der Verwertungsindustrien. Es dient nicht mehr den Urhebern, sondern einer Industrie, die mehrfach nachgewiesen hat nicht in der Lage zu sein sich einem gesellschaftlichen Wandel anzupassen. Schlimmer noch, die Lobbyisten dieser Industrie versuchen mit immer neuen Verboten das Rad der Zeit zurückzudrehen.
Wie gesunde Geschäftsmodelle funktionieren, hat Apple Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts gezeigt. Stimmen Preis und Qualität profitieren beide Seiten davon, der Kunde der einfach und zu fairen Preisen Content kaufen kann und auch der Verkäufer dessen Plattform zum Marktführer aufgestiegen ist.
Das Gegenbeispiel zeigt in Deutschland die GEMA, blockiert sie den Zugang zu internationalen(!) Angeboten, mit dem Verweis darauf, dass nationale(!) Rechte betroffen seien. Das gipfelt darin, dass Kindergärten Abgaben an die GEMA (und VG Wort&Schrift) abführen sollen, weil Kinderlieder in Kindergärten vervielfältigt werden.
Die Einahmen hieraus, in Bayern per anno ca. 290.000 € Steuergeld, fliessen aber nicht den Urhebern zu, sondern zu über 2/3 an Verwertungsgesellschaften und Produzenten, wie Dieter Bohlen zu.
Ich denke dadurch wird deutlich, dass das deutsche Urheberrecht, mit seinem unzulässigen Begriff des geistigen Eigentums, nicht die Kulturschaffenden beschützt, sondern einer Industrie dient, die nicht bereit ist auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren.
Selbstverständlich benötigen wir einen Urheberschutz, aber bitte dann ohne den Begriff des nicht existenten geistigen Eigentums.
Urheber haben ein Recht an Ihrem Werk, einzig sie können bestimmen wie es wirtschaftlich genutzt wird. Bei nicht wirtschaftlicher Nutzung oder bei Adaption und Neuschaffung eines weiteren Werks haben sie ein Recht auf Namensnennung.
Aber mehr auch nicht, sie haben kein Recht darauf zu bestimmen auf welchen Medium eine Kopie Ihres Werks konsumiert wird und schon gar kein Recht darauf zu fordern Grundrechte einzuschränken.
Eventuell müssen wir hier auch darüber diskutieren ob Verwertungsrechte an Dritte überhaupt weitergeben werden dürfen. Stattdessen ist hier eine Entlohnung über eine Kulturflatrate oder ähnliches die bei weitem besser Art der Entlohnung. Diese Diskussion ist aber noch im Fluss.

Bernhard von Chartres formulierte im Jahre 1120, “wir seien gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können – freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergröße, sondern weil die Größe der Riesen uns emporhebt”.
Und genau das ist das Fundament unserer Wissenschaft, wer hier einen Nachweis nachlesen will, dem empfehle ich Simon Singhs Buch Fermats letzter Satz, der die Jahrhunderte lange Jagd nach der Bestätigung dieses mathematischen Theorems.
Hätten Wiles & Taylor nicht das Wissen und Scheitern von dutzenden Mathematikern, die sich über Jahrhunderte mit dem Theorem befasst haben, nutzen können, der Satz würde heute noch unbewiesen sein.
Geistiges Eigentum widerspricht so sehr dem Geist und dem Wesen der Wissenschaft, dass wir uns bereits heute rückwärts entwickeln.
Die Patentierung und Aussperrung von Wissen begann Mitte der 80er Jahre massiv in der Biogenetik und durchzieht mittlerweile weite Teile der Forschung.
Im besonderen Masse in der Forschung verstellen Patente auf Verfahren oder gar auf Gene die Fortentwicklung massiv, aber auch, dass Ergebnisse von Forschung nicht öffentlich ohne weiteres zugänglich sind.
Vielfach ist der Begriff geistiges Eigentum in der Wissenschaft von Vorhinein zweifelhaft, handelt es sich in der Regel um Ergebnisse, das schon vielfach vorhanden sind und nur noch nicht beschrieben waren (z.B. das Genom) oder neu rekombiniert wurde. Insofern kann man hier von einer geistigen Leistung sprechen etwas entdeckt zu haben, aber nicht von einer Schöpfung.
Da Wissenschaft und Forschung heutzutage zum überwiegenden Maße aus der Privatwirtschaft finanziert wird, muss hier ein Ausgleich gefunden werden, der einerseits die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt andererseits freie Wissenschaft nicht behindert.
Allerdings muss eins klar sein, Patente auf Gene und Lebendigem sind per Definition unzulässig, da der PriorAct, also die Grunderfindung auf einen natürlichen Prozess zurückgeht.
Ein rein urheberrechtlicher Schutz, wie oben bei Kulturschaffenden greift hier zu kurz. Diese würde die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Werken zwar regeln, aber nicht vor der wirtschaftlichen Nutzung des neuen Wissens. Hier besteht die Möglichkeit eines Wissenschaftspatents zu erstellen, dass für Entwicklungen von höherem Wert vergeben werden könnte. Allerdings sollen die Inhaber dieses Patents nach den FRAND Richtlinien verpflichtet sein, Lizenzen zu fairen Bedienungen zu erteilen um nicht andere Teilnehmer von dem Wissen und der Nutzung aussperren zu können.

Profiteure, Nutzniesser und Antreiber in der Diskussion um den Schutz geistigen Eigentums sind wirtschaftliche Interessen von Firmen.
Dabei ist dieses Verhalten absolut schizophren, haben ebenjene die sich bitterlich darüber beklagen, dass Ihre Produkte im Ausland kopiert und mit teils schlechter Qualität importiert werden, selbst Schuld.
Häufig haben ganze Industrien aus Profitgier die Produktion Ihrer Produkte ins Ausland, meist asiatische, verlagert um dort von fleißigen und vor allem billigen und flexiblen Arbeitern ihre Produkte herstellen zu lassen.
Verwundert stellen dann diese Industrien fest, dass der so gefügige Ausländer dadurch die Produktionskapazitäten und das Wissen erhalten hat um die eigenen Produkte zu deutlich günstigeren Preisen auf den eigenen Markt zu bringen.
Jede Medaille hat ihre Kehrseite, und dies ist die der Globalisierung. Andere Kulturen haben andere Einstellungen und Vorstellungen zum Kopieren von Ideen und Werken. Hochmütig wie unserer Wirtschaftssystem ist, will man einerseits die Vorteile ausbeuten ist jedoch nicht bereit die Konsequenzen daraus zu tragen.
Stattdessen versucht man mit Antipiraterie Abkommen und Abbau von Grundrechten die selbstgeschaffenen Probleme zu beseitigen.
Produktformen, Markennamen, Techniken seien sie noch so trivial sollen mit dem Begriff geistiges Eigentum abgesperrt werden in dem verzweifelten Versuch andere daran zu hindern ähnliche oder gleiche Produkte auf dem Markt zu bringen.
Greift das alles nicht, wird eine Drohkulisse aufgebaut, in der abwechselnd Menschen an raubkopierten Medikamenten sterben, Motorsägen aus Rand und Band geraten und Menschen verstümmeln oder tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen.
Nichts davon entspricht der Realität, wir sind heute mit Zertifikaten in der Lage einzelne Produkte (z.B. Medikamente) über das Internet zu validieren und wer vermeintliche Motorsägen über das Internet kauft, die einen Bruchteil dessen kosten, wie beim lokalen Händler, trägt am Ende des Tages mit der Geiz-ist-geil Mentalität die Konsequenzen.
Das gängige Argument der Wirtschaft würden Milliarden an Umsatz und dem Staat Steuereinnahmen entgehen, weil die Konsumenten die Kopien statt der Originale kaufen würden ist wie bei der Contentindustrie absoluter Quatsch. Nur weil jemand ein billiges und kopiertes Produkt kauft, heisst das noch lange nicht, dass der gleiche Kunde das teurere Originalprodukt kaufen würde. Es ist vielmehr ein Ausdruck mangelnder Kaufkraft und eines nicht angepassten Preisleitungsverhältnisses.
Härtere Gesetze gegen die Produktpiraterie werden daran aber nichts ändern, China als zukünftige Nummer eins in der Weltwirtschaft wird sich ohnehin nicht daran halten. Diese würden nur zu Lasten der Habenichtse der dritten Welt gehen und was haben die zu verlieren ?
Wer auf Regulierung und Abschottung abzielt und die Innovation vernachlässigt wird über kurz oder lang scheitern. Statt auf faire Patente zu setzen, die kostengünstig lizensiert werden, setzt der Großteil der Industrie auf Abschottung, solange bis sie vom Markt eliminiert werden.

Die Konsequenz aus einem Scheitern in dieser zentralen Frage des 21. Jahrhundert ist weitreichend für uns alle. Wurden beginnend mit der Aufklärung feudale Strukturen in unserer Gesellschaft abgeschafft, droht uns hier ein Rückfall.
Wissen, Kultur und freier Zugang zu Technologien spielen zunehmend eine Rolle, wer diese kontrolliert und einschränken kann dominiert Gesellschaften.
Die Konzentration von Patenten, die Kontrolle von Content und die Abschottung von Märkten auf Wenige führt uns geradewegs in die Zeit der Feudalherren zurück.
Was damals gottgesalbte Blaublüter waren, würden dann die Medienzaren und Führungskader globaler Unternehmen sein.
Fehlen würde dann nur noch der Zehnte geistiger Arbeit, zu entrichten in an die zuständige Corporation.

Bildquelle: Wikipedia (User 3247)


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