Ich will aber!

Disclaimer: Ich behaupte NICHT, dass irgendein biologisch männlicher Pirat biologisch weibliche Piraten in irgendeiner Weise benachteiligt oder dass Frauen innerhalb der Piratenpartei schlechte Chancen auf Ämter oder Ähnliches haben!
Disclaimer 2: Ich bin kein Fan von Alice Schwarzer oder von der Quote der Grünen. Eure Argumente dagegen könnt ihr also gleich wieder einpacken und erstmal lesen, warum ich TROTZDEM über das Gender-Gedöns reden will.

Das fasse ich mal ganz kurz zusammen:
1) Es gibt wenige Frauen in der Piratenpartei.
2) Ich will wissen, warum das so ist.
3) Ich will, dass wir gemeinsam versuchen, das zu ändern. Aus Gründen.
4) Danach bekämpfen wir Benachteiligung, Diskriminierung und Sexismus in der Gesellschaft.

Und jetzt muss ich ein bisschen schreien: ICH BEHAUPTE DOCH NICHT, DASS IHR SCHULD SEID, ICH WILL NUR, DASS IHR WAS DAGEGEN MACHT! DAS IST WICHTIG!

Frauen sind nicht die besseren Menschen und nicht klüger als Männer. Aus naheliegenden Gründen haben sich bisher überwiegend Frauen mit der Benachteiligung von Frauen befasst. Dabei wurde viel Kluges, Dummes, Lustiges, Pauschales, Differenziertes, Unfaires und Weises gesagt. DESHALB HÖRT BITTE VERDAMMT NOCHMAL AUF, JEDE FRAU, DIE SICH DAZU ÄUẞERT IN DIE SCHWARZER/GRÜNE/DOGMATISMUS-SCHUBLADE ZU STECKEN! HÖRT ZU, DENKT SELBER, BILDET EUCH EINE MEINUNG UND DISKUTIERT MIT!
DANKE!

Langversion:
Auch mich hat wütend gemacht, dass die Medien sich nach dem Wahlerfolg in Berlin an 14:1 aufgehängt haben und sich nicht damit auseinandergesetzt haben, was Frauen in der Partei tun und sagen (dazu hier der Kegelklub). Hätten sie recherchiert und dann geschrieben, dass wir Frauen es bei den Piraten ziemlich super finden und es eventuell manchmal sogar etwas leichter haben als Männer, wären vielleicht ein paar mehr Frauen beigetreten. Aber ein paar mehr Frauen reichen nicht. Aus Gründen. Ich weiß, dass jetzt viele Piraten aufschreien. Freiheit, Freiwilligkeit, jede die will kann doch mitmachen und wenn zufällig kaum Piraten Brüste haben, ist das doch auch ok! Brüste sind nun relativ offensichtlich, aber natürlich trifft das auch auf andere gesellschaftliche Gruppen zu. Es ist eine Binsenweisheit, dass die die „Mitmach-Partei“ mehrheitlich aus einer ziemlich homogenen Gruppe besteht (Penis, eher gebildet, mitteljung, irgendwas mit Internet). Klar, gibt es AUCH Frauen, Rentner und vielleicht sogar ein paar Mitglieder ohne Internet – wer weiß? Aber die Mehrheit ist eine andere. Und da kommt bei mir die kognitive Dissonanz. Mitmach-Partei, Basisdemokratie, Beteiligung. Einzug ins erste Landesparlament, steigende Umfragewerte. Der Anspruch, die Gesellschaft besser zu machen. Und alle können doch mitmachen! Genauso wie alle Kinder ja aufs Gymnasium können, wenn sie sich nur anstrengen (Dieser Irrtum ist in der Bildungssoziologie eigentlich längst beseitigt. Und seit PISA wissen sogar die Mainstream-Medien, dass schlechte Bildungschancen sozial vererbt werden). Da passt was nicht zusammen. Das Denken, dass alle mitmachen können, wenn man es anbietet, ist überholt (Soziologie ist übrigens ein spannendes Studienfach).

Wir haben wunderbare Ideale entwickelt, ein eigenes Denken, eine eigene Kultur. Wir haben gesehen, dass diese bedroht wird. Deshalb haben wir (ok, am Anfang war ich noch nicht dabei, aber so klingt es besser) eine Partei gegründet. Um unsere Interessen zu vertreten. Wir haben auch begriffen, dass unsere Ideale nicht nur das Internet betreffen und den Anspruch entwickelt, auch andere Gesellschaftsbereiche zu verändern. Wir sind sogar gegen soziale Benachteiligung. Aber wir sehen nicht, dass unsere Kultur auch Menschen ausschließt. Dass wir alle dieselbe Brille aufhaben und einen großen Teil der Gesellschaft und ihrer Probleme überhaupt nicht wahrnehmen. Und dass ein Großteil der Menschen uns nicht wahrnehmen, weil sie unsere Kultur nicht begreifen. Menschen, deren Probleme wir lösen wollen. Ganz schön überheblich.
Wir müssen es probieren! Wir müssen intern testen, ob unsere Kultur auch in einer heterogeneren Gruppe funktioniert. Mit mehr Nicht-Nerds. Wir können doch nicht schon vor Beginn aufgeben! Aufgeben wie die anderen Parteien, die sich entweder damit abgefunden haben, dass Politik fast nur von privilegierten weißen Männern gemacht wird oder die eine Quote haben, um das zu steuern. Ich will, dass wir so cool werden, dass Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen mitmachen wollen! Ich will, dass wir zuhören und Probleme der Menschen erkennen. Mit unserer Nerd-Brille neue Sichtweisen und Lösungen finden. Dass dann neue Menschen zu uns kommen, auch solche, die nicht im Internet wohnen. Und auch, dass etwa die Hälfte von uns Frauen sind (ich höre die Aufschreie). Weil über die Hälfte der Menschen in diesem Land Frauen sind und weil alle Menschen von einer besseren Welt träumen.

Meint ihr es ernst mit dem Welt verändern oder wollt ihr nur euer Biotop retten?

Ich bitte um eure Biotop-Exit-Strategien in den Kommentaren. Nächste Woche kommt meine Sammlung von Gründen, warum so wenige Frauen in der Piratenpartei sind.

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Kommentare

Ein Kommentar zu Ich will aber!

  1. fritz schrieb am

    Lass es mich ganz direkt sagen: Es gibt derzeit so wenige Frauen in der Piratenpartei, weil die Piraten so wenige „Frauenthemen“ vor sich her tragen. Etwas mehr Tierschutz und Kindergarten und der weibliche Zulauf ist da. Was? Ein Klischee ist das? Ja, richtig. Ist es. Aber trotzdem funktioniert es.

    Wir alle sind von einer Gesellschaft geprägt, die eine Gleichstellung nicht verwirklicht hat, und deswegen tragen wir nicht-emanzipatorische Klischees in uns. Internet, Bürgerrechte, Freiheit, Immaterialgüter, die ganzen zentralen Piratenkernthemen, die von den Piraten nicht aus religiösem Eifer vertreten werden, sondern weil sie sonst alle anderen (a.k.a. alle Parteien) liegen lassen, die gelten fälschlich als Männerthemen und werden deswegen von uns allen so behandelt. Ja, natürlich sind wir alle freie Menschen mit freier Entscheidung. Aber nur, wenn wir uns anstrengen. Im Halbschlaf regieren uns die tief eingekratzen Muster.

    Ich sag dir was: Wir Piraten müssen gar nichts an unserem Programm ändern. Wir müssen nur daran festhalten, dass Computer genau so wenig „Männersache“ sind wie Autos, Sport oder Verantwortung im Beruf. Die Hetze der alten Medien und die künstliche Genderdiskussion („14:1“) verfolge ich amüsiert. Sollen sie. Mir egal. Irgendwer muss eben anfangen mit „Post-Gender“, und wenn es kein anderer macht, dann übernehmen wir Piraten das eben auch noch. So wie das bedingungslose Bekenntnis zu freier Bildung für alle (Männer- oder Frauenthema?), wie die soziale Frage in der postindustriellen Zeit (wir werden nie wieder genug Arbeit für alle haben, und damit auch kein tradiertes Familienmodell. Männer? Frauen?).

    Nein, ich bin nicht deiner Meinung: Die Piraten müssen nicht Menschen aus allen Milieus anziehen. Dann werden sie ja so eine Kompromisspartei wie die Grünen oder davor die SPD. Statt dessen sind die Piraten die progressive Kraft, und das geht auf Kosten des Konsens. Wenn man nach vorne will, kann man nicht in der Mitte bleiben. Ich möchte statt dessen progressive Frauen in unserem Land ermuntern (ich tu das sogar immer wieder), sich mit den Piraten auseinander zu setzen. Da ist ne verdammte Menge Platz für gesellschaftliche Fortschrittsideen.

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