Am 15. September 2013 wählten die Bürgerinnen und Bürger einen Piraten in den Bezirkstag Schwaben, konstituiert wurde dieser am 10. Oktober. Dass ich ausreichend viele Stimmen erhalten hatte, lag an der Einführung des Hare-Niemeyer-Auszählsystems anstelle des bisher eingesetzten d’Hondt, so dass kleinere Parteien bessere Chancen erhalten, und an meinem lokalen Ergebnis von 4,0 % in meinem Wahlkreis Augsburg-Ost. Obwohl das erste Jahr damit noch nicht ganz vorüber ist, nutze ich die „Sommerpause“ für einen ersten Jahresüberblick. Tatsächlich habe ich dieses Amt ohne grosse Erwartungen angetreten; mir war bewusst, dass die Mehrheitsverhältnisse grundsätzlich nicht positiv für Piratenthemen sein würden. Der Auftrag, der sich mir bot, hiess zunächst einmal also, Transparenz zu schaffen. Winziges Problem: Nachdem wir Piraten 2013 zum ersten Mal zu den Landtags- und Bezirkstagswahlen angetreten waren, gab es keine Vorerfahrungen, niemanden, den ich fragen konnte, wie das geht.
Bezirketag
Mit den anderen drei bayrischen Bezirkspiraten konnte ich mich auf dem letztjährigen LPT und den Bezirketagssitzungen austauschen. Kurzfazit: Die Verhältnisse sind in den drei Bezirkstagen, in welchen Piraten vertreten sind, denkbar unterschiedlich.
Kurze Zusatzinfo: Der Bezirketag (mit dem „e“ in der Mitte) ist eine halbjährliche gemeinsame Veranstaltung der sieben Bezirkstage, wir haben dort drei Piratendelegierte. Diese bilden dort wiederum zwar keine Fraktion, aber doch eine Gruppe, die an der politischen Gestaltung teilnimmt.
Konstituierung
Erste Hürde, noch vor der Konstituierung im Oktober: Ich muss in eine Ausschuss- oder Fraktionsgemeinschaft, um die Chance auf Ausschussitze zu bekommen. Nachdem nicht klar war, wie die nächste Geschäftsordung des BezT aussehen würde, weil diese hier stets gemeinsam von CSU und SPD beschlossen wird, habe ich Vorgespräche mit den Grünen, Linken und der ÖDP geführt; nicht mit der FDP oder Bayernpartei. Tatsächlich war bis in die konstituierende Bezirkstagssitzung am 10.10. hinein nicht klar, in welcher Gruppierung ich in den nächsten 5 Jahren arbeiten würde. Auch wenn Frederik Hintermayr und ich am Tag zuvor vorsorglich schon mal eine Fraktionsgemeinschaft gründeten, wussten wir nicht, wie die neue GO unsere Pläne bestimmen würde. Denkbar waren eine „grosse“ Oppositionsfraktion aus 2xGrün, ÖDP, Linke und Piraten, eine mittlere aus ÖDP, Linke und Piraten, und die kleine, zu zweit. Bei letzterer blieb es dann auch, aber, um es nochmal klarzustellen, das war am Ende nicht meine Entscheidung, sondern Folge der Mehrheitsmeinung im Bezirkstag. Diese ging dahin, dass man eine unübliche Mindestgrösse von 2 statt 3 Bezirksräten für eine Ausschussgemeinschaft festsetzte, damit die CSU-nahe Kombination aus FDP und BP Chancen auf Ausschussitze erhalten würde. Letztere wurden anschliessend GO-konform per Los ermittelt, die FDP/BP-Gemeinschaft erhielt den wichtigen Sitz im Bezirksausschuss und damit Fraktionsstatus (der aber letztlich nur mehr Geld bringt) sowie einen Sitz im Jugendausschuss, während die Linken/Piraten zwar keinen Fraktionsstatus, dafür aber Sitze im Sozial- und Psychiatrie-, sowie im Jugend-und Europa-Ausschuss erhielten. Ersteren füllt Frederik aus, den zweiten ich.
Fraktionsstatus
Um die Bedeutung des Fraktionsstatus gab es einige Diskussionen, unser entsprechender Antrag wurde natürlich abgelehnt. Überhaupt sah man bei Abstimmungen so gut wie immer die erweiterte Regierungsmehrheit aus 13 CSU, 4 SPD, 3 Freie Wähler, 1 FDP, 1 BP gegen 2 Grüne, 1 ÖDP, 1 Linke und 1 Piraten. Auch das muss so deutlich gesagt werden, vor allem jenen Wählerinnen und Wählern, die FW oder SPD angekreuzt hatten, in der unklaren Hoffnung auf eine andere Politik, als sie in Bayern über Jahrzehnte hinweg von der CSU zementiert wurde.
Initiativen
Noch im Herbst begannen wir zwei Linken/Piraten mit Initiativen: Frederik beharrte darauf, dass Adelholzener Mineralwasser nicht mehr zu Bezirkstagssitzungen gereicht würde, solange dieser Getränkehersteller nicht Tariflöhne einhalten würde. Ergebnis: Es gibt jetzt alternativ auch ein anderes Mineralwasser. Von den Kollegen Bezirksräten haben, wie ich selbst im Gespräch feststellte, nicht alle verstanden, wo das Problem ist.
Ethiksatzung
In Folge dessen bestand ich darauf, dass uns bisherige ethische Beschlüsse des Bezirkstags zur Verfügung gestellt werden sollen, diese erhielt ich nach einigen Monaten. Aus diesen vorhandenen Beschlüssen einen Antrag für eine vollständige Ethiksatzung zu formen, ist ein Projekt für das kommende Jahr.
Drogenkonsumräume
Die nächste Initiative, auch von Frederik eingebracht und inspiriert von den Kollegen aus Mittelfranken (wo im Bezirkstag ebenfalls ein Duo aus Linken und Piraten arbeitet) war die auf Beschluss einer Position, wonach der Bezirkstag Drogenkonsumräume gutheissen solle. Dieser Antrag wurde zunächst in den Sozialauschuss verschoben, und dann auf den nächsten vertagt. Dazwischen liegen jeweils Monate. Im Begründungsschreiben für diese Verschiebung stand aber, womöglich versehentlich, etwas über die „Einrichtung von Drogenkonsumräumen“, was ich zum Anlass nahm, einen zweiten Antrag auf Einrichtung dieser Räume (die in 6 Bundesländern und einigen Nachbarnationen bereits seit über 25 Jahren Menschenleben retten) zu stellen. Folge: Die Mehrheitsfraktionen stellten, hier vertreten durch die SPD, einen kurzfristig formulierten Antrag auf Durchführung eines Fachtags Drogensucht mit Podiumsdiskussion, der nun auch im November stattfinden wird. Ein Teilerfolg also. In der Vorabbesprechung (die reichlich informelle AG bestand aus 2 SPD-Bezirksräten, einer Ärztin mit langer Erfahrung in diesem Bereich und einem tatkräftigen Verwaltungsmitarbeiter) war es mir wichtig, dass das Podium vor allem von erfahrenen Personen aus der Drogenhilfe besetzt sein würde, und weniger von Vertretern von Justiz und Politik. Das scheint dann auch zu klappen, auch wenn ich ausgesprochen viel Geduld in der Kommunikation aufbieten musste.
Parteiübergreifende Positionen
Grundsätzlich scheint es mir – subjektiv – als ob im Bezirkstag (und womöglich auch anderswo) parteiübergreifend linke, humanistische und christliche Positionen zusammenfinden, wenn es darum geht, in erster Linie den Menschen zu helfen, und auf der anderen Seite „rechte“ Positionen stehen, die ordnungspolitische Anforderungen in den Vordergrund stellen. Dadurch wird die politische Meinungsbildung nochmal eine Stufe komplizierter, eröffnet aber auch neue Chancen.
Bürgeranfragen
Das sehen auch andere Leute so, deshalb bekommen wir immer wieder Anfragen von Bürgern zugemailt, die sich nicht anders zu helfen wissen, als sich dem vermeintlich extremsten Teil des Bezirkstags anzuvertrauen. Manchen dieser Leute können wir ein wenig weiterhelfen, andere sind bereits zu weit fortgeschritten in ihrer Michael-Kohlhaas-Karriere und bekämpfen aus erlittenem Unrecht heraus das gesamte System. Da kann ich dann auch nichts mehr machen.
Weitere Initiativen
Weil unsere Anträge nach dem oben erwähnten Schlüssel (von 22 : 5) sowieso immer abgelehnt werden, starte ich inzwischen statt dessen lieber Initiativen. In den letzten Monaten machte ich mich für einen gemeinsamen Beschluss zur Unterstützung des „Licca Liber“-Projekts stark. Hintergrund: Das zuständige Wasserwirtschaftsamt Donauwörth will einen Teil des stark industrialisierten Lechs nach Möglichkeit renaturieren. Dem steht das Interesse eines einzelnen Konzerns gegenüber: Der Energieriese will dort, im bereits bestehenden Naturschutzgebiet ein weiteres Wasserkraftwerk errichten, und hat dazu auch gewisse Rückendeckung aus dem Zentralbüro der Staatspartei in München. Zu den Aufgaben eines Bezirkstags gehören allerdings auch Gewässer-, Natur- und Fischereischutz, also habe ich in einer tagelangen Telefonaktion mit Verbands- und Verwaltungschefs sowie leitenden Mitarbeitern des Wasserwirtschaftsamts gesprochen, um hier einen Standpunkt zu erhalten, den ich dann auch in der dafür geeigneten Fraktionsvorsitzendenbesprechung vorgetragen habe. Die Kollegen finden das zwar irgendwie interessant, möchten sich aber nicht festlegen. Das bedeutet: Diese Initiative werde ich noch länger aufrechterhalten. Ich finde, Wasserkraft ist eine Brückentechnologie. Die ökologischen Kosten sind zu hoch für das bischen Strom.
TISA
Gleichzeitig brachte ich die Initiative „Position gegen TISA“ ein, mit dem ersten Erfolg, dass alle Fraktions- und Verwaltungschefs zugeben mussten, noch nie davon gehört zu haben. Also verfasste ich ein Infodokument für den verehrten Herrn Präsidenten und die lieben Kolleginnen und Kollegen, welches dann von der zuständigen Verwaltungsabteilung geprüft wurde. Auf meine telefonische Nachfrage erfuhr ich von dieser: „Herr Effenberger, das wusste ich ja gar nicht, das ist ja schrecklich, da muss man doch was machen!“. Ja, richtig, CETA, TTIP und TISA sind schrecklich, und wir alle müssen etwas dagegen machen. Auch diese Initiative wird wohl noch weiter von mir getragen werden.
Kultur-Förderinitiativen
Weil der Bezirk über ein bescheidenes Budget in der Grössenordnung von 7 Millionen Euro jährlich für Kulturförderung verfügt, und diese meiner Ansicht nach nicht ausschliesslich für Vergangenheitskultur aufgewendet werden müssen, habe ich zwei Förderinitiativen begonnen und mich mit Vertretern von 1) Bluebox (Skate+BMX-Verein) und 2) Grandhotel (Asylbewerberwohn- und Kulturprojekt) getroffen, diesen den Förderantrag ans Herz gelegt, Details erklärt, und meine Hilfe im Antragsprozess angeboten. Ob was daraus wird, liegt jetzt nur noch zum kleineren Teil an mir.
Volkskunde-eBooks
Weil die Vorgehenweise bei der Veröffentlichung von eBooks durch den Bezirk alles andere als geklärt ist, habe ich mich darum bemüht, in mehrere Telefonaten und Offlinegesprächen die Haltung der Beteiligten zu klären. Ergebnis: Es gibt in der Verwaltung, bzw bei den Leuten, die volkskundliche Bücher produzieren, zwei Positionen, die beide ausprobiert werden sollen. Einmal das Veröffentlichen zum Festpreis nahe des Papierbuchpreises, zum andern den freien Download gegen Spende. Die Ergebnisse werden irgendwann bekannt gegeben, solange hat die Volkskunde in Schwaben freie Hand.
IT-Sicherheit
Weil wir 3 Bezirketagspiraten auf dem Treffen in Altötting darüber gesprochen hatten, prüfte ich die IT-Sicherheitseinstellung der Bezirks-IT nach, indem ich den Leiter der IT Schwaben anrief: Alle PCs sind fristgerecht von Windows XP auf Windows 7 umgestellt worden, der Internetauftritt des Bezirks Schwaben liegt auf einem managed Server eines industriellen Anbieters. Soweit ok.
Kinder wollen Singen
Da der bayrische Staat zwar eine Drittel Million Euro pro Jahr an die Gema bezahlt, damit Kindergärten Noten gemeinfreier Lieder aus Büchern kopieren dürfen, die von kommerziellen Verlagen verkauft werden, sich diese Vereinbarung aber nur auf Kinder bezieht und nicht etwa auf Erwachsenenveranstaltungen, habe ich die „Kinder wollen Singen“ Bücher mitgebracht und werde diese in Zukunft den Volksmusiktätigen ans Herz legen.
Effizienzsteigerung
Da der Bezirk Schwaben sich vom IMAKA Institut für Management GmbH zur (dringend nötigen) Effizienzsteigerung in der Verwaltung beraten lässt, habe ich an den Treffen der Lenkungsgruppe teilgenommen; als Pirat wird einem sofort Kompetenz zuerkannt, wenn es um Computerkram geht.
Ratsinformationssystem
Aus nämlichem Grund wurde ich in die informelle AG Ratsinformationssystem eingeladen, die klären soll, ob wir ein anderes System statt des bestehenden einkaufen, das vorhandene erweitern oder gar nichts machen sollen. Ich neige zur kostengünstigsten Variante 3.
Piratenprogramm
Für die nächsten vier Jahre (gewählt wird wieder im September 2018) habe ich vor, die bisherigen Projekte weiter zu verfolgen und neue zu starten, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt. Der Handlungsspielraum eines Bezirkstags ist ja eher beschränkt und auf Sozialversorgung und wenige angrenzende Bereiche bezogen. Innerhalb dessen ist es allerdings sehr wohl möglich, das gemeinsam beschlossene Piratenprogramm anzuwenden, was ich auch weiter tun werde. Von meinen Mitpiraten und meinen Wählern wünsche ich mir dazu mehr Beteiligung.
Demnächst…
Mein nächster Bezirkstermin ist die Fraktionsvorsitzendenbesprechung am 25.9., danach lest ihr wieder von mir. Inzwischen findet ihr die Details zur obigen Jahreszusammenfassung in den bisherigen Beiträgen auf diesem Blog. Eure Fragen beantworte ich gerne unter meiner Piraten-Emailadresse, also “fritz punkt effenberger ät piraten minus schwaben punkt de”.