Stromtrassenwahn

„Ungeliebt, doch unverzichtbar“

titelt das IHK-Wirtschaftsmagazin für die Region Schwaben in seiner Juni-Ausgabe. Gemeint sind die Stromtrassen von Nord nach Süd, an denen vermeintlich die Zukunft der Energiewende hängen und eine bezahlbare Versorgungssicherheit erhalten werden soll.

Ungeliebt, das ist zweifellos richtig. Es genügt sich die Proteste der Betroffenen anzusehen. Besonders die gegen das Projekt der HGÜ-Trasse aus dem brandenburgischen Braunkohlerevier nach Meitingen, die uns als notwendig verkauft werden sollte, um den ökologisch so wertvollen Windstrom aus Mecklenburg-Vorpommern zu uns Bedürftigen in Bayern zu bringen.

Was längst vermutet wurde, wird sowohl im Artikel als auch in der dazu gehörigen graphischen Darstellung kalt: Es geht darum, den Absatz des Braunkohlestroms sicher zu stellen. Eine Art der Stromerzeugung, die den Steuerzahler pro erzeugter kWh ca. 16 Cent an Subventionen kostet, nur um ihn dann für ca. 4 Cent / kWh verkaufen zu können. Der Referent für Energie der IHK gibt es unumwunden zu: „Mit der HGÜ-Trasse,, die bis ins schwäbische Meitingen führt, kommen Windstrom aus Norddeutschland sowie Kohlestrom aus Mitteldeutschland nach Bayern.“

Damit aber nicht genug: Diese Stromtrasse muss nicht nur gebaut, sondern auch refinanziert werden. Dies wird über die Netzentgelte erfolgen, die dadurch steigen, Freilich nur für die, die nicht von Netzentgelten befreit sind. Also private Endverbraucher sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistung. Denn Großabnehmer sind von den Netzentgelten per Gesetz befreit. Zu den 16 Cent Subventionen kommen also noch mal 2 Cent Netzentgelt, bzw. Steuermittel, da unser Staat für die Eigenkapitalrendite der Netzinvestoren mit 9 % garantierter Rendite gerade gerade steht.

Richtig erkannt, wenn auch falsch formuliert, wird in dem Artikel, dass durch die Hinwendung zu „erneuerbaren“ Energien die Notwendigkeit entsteht, grundlastfähige und wetterabhängige Stromerzeugung in Einklang zu bringen sind. Diese Formulierung zeugt nicht gerade vom Verständnis der Zusammenhänge. Es geht immer um den maximalen Einklang von Bereitstellung von Strom und dessen Abnahme und Verbrauch. Grundlasten und Erzeugungsspitzen benötigen eine intermediäre Verknüpfung, damit sie sich sinnvoll ergänzen.

Warum das ausgerechnet eine Stromtrasse sein soll, die dann zu 80% Braunkohlestrom transportiert, denn mehr als 1.500 Windstunden von den 8.760 Stunden, die ein Jahr nun mal hat, sind kaum nutzbar.

Richtig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung des Vorsitzenden des Energie- und Umweltausschusses, dass mit diesen Stromferntrassen die Energieversorgung auf stabilem Niveau erfolgen kann.

Allerdings nahezu vollständig mit Braunkohlestrom, den wir Bürger auf Jahrzehnte hinaus aus Steuermitteln teuer subventionieren müssen und der den beiden Kernzielen der Energiewende ( Atomausstieg und Ausstieg aus fossiler Brennstoffnutzung = Ausstieg aus allen degenerativen Energiequellen) geradewegs zuwiderläuft.

Denn die konsequent richtigen Alternativen stehen bereits zur Verfügung wund werden hier in deutschen Ländern bereits eingesetzt, wie das Beispiel Braderup in Schleswig-Holstein zeigt:

http://www.shz.de/lokales/nordfriesland-tageblatt/auf-dem-weg-in-die-zukunft-id7126686.html

http://www.pressebox.de/inaktiv/robert-bosch-gmbh-gerlingen-schillerhoehe/Doppelbatterie-fuer-den-Stromspeicher-Braderup/boxid/681205

http://www.windkraft-journal.de/2014/06/02/vanadis-power-liefert-einen-der-groessten-batteriespeicher-deutschlands-fuer-buergerwindpark/

Der Ausgleich von Stromerzeugung und flexibler Stromabnahme wird durch diese Stromtrassen keineswegs geschaffen, denn Braunkohlestrom steht rund um die Uhr zur Verfügung.

Braunkohlekraftwerke werden um so effiziente rund einträglicher, je länger und konstanter sie laufen. Es geht bei diesen Trassen um die Zementierung eines Geschäftsmodells auf Kosten der Allgemeinheit. Der Windstrom, den diese Allgemeinheit ja über die EG-Umlage sowieso schon bezahlt, ist lediglich ein nettes Zusatzgeschenk. Das Feigenblättchen,d as dafür herhalten muss, eine Steinzeittechnologie am Leben zu erhalten.

Gerade Schwaben als Photovoltaikland hat noch keine 10 % seines PV-Potentials ausgeschöpft. Um dieses Potential nachhaltig zu heben, benötigen wir noch nicht mal Ackerflächen. Es würde genügen, konsequent dafür zu sorgen, dass bei Neubauten und Sanierungen alle Dächer vollständig belegt werden, auf Wohnbauten wie auf Nichtwohngebäuden. Dazu kommen Parkplätze und Verkehrsanlagen, die ebenfalls in aktuellen Zustand nicht als energetische Brachen darstellen.

Zieht man nun den Vergleich der realen volkswirtschaftlichen Kosten zwischen Braunkohle plus Stromtrasse vs. Photovoltaik plus Speicher, dann stellt man schnell fest, dass die zweite Kombination wirtschaftliche der ersten gleichwertig gegenüber steht. Und das ohne EEG und ohne Subventionen. Und ohne zehntausende Bürger mit Stromtrassen zu beglücken.

Der letzte Absatz im Artikel schließlich ist entweder das Ergebnis einer unglaublich schlechten Recherche, oder blanke Täuschung. Die Betreiber von Braunkohlekraftwerken haben keinerlei Interesse daran, ihre Stromeinspeisung vorsichtig zu dosieren. Sie wollen 8.769 Stunden im Jahr produzieren Kohle verbrennen, CO“ ausstoßen und damit jede Menge Geld verdienen. Und ie Trassenbetreiber wollen Strom transportieren.

Das Ergebnis ist der Tausch von Atomstrom gegen Kohlestrom. Diese Strategie wendet keinen Schaden vom Ausbau der „erneuerbaren Energien“ ab. Sie bremst ihn nur umso stärker.

Thomas Blechschmidt
Energiemanager
Piratenpartei Deutschland
Energiebeauftragter des LV Bayern