Wir, die Jungen Piraten – die offizielle Jugendorganisation der Piratenpartei Deutschland –, betrachten seit geraumer Zeit Verhältnisse innerhalb der Piratenpartei mit großer Sorge und zunehmendem Ärger.
Immer wieder fallen Mitglieder der Partei durch rassistische, sexistische, aber auch anderweitig diskriminierende Aussagen oder Verhaltensweisen auf.
Beim Brainstorming zu diesem Brief wurden einige Beispiele diskriminierende Aussagen und Vorfälle genannt: eine Frau galt als „zu hübsch“, um ernstgenommen zu werden, eine andere „sollte mal richtig hart durchgefickt werden, vielleicht entspannt sie sich dann ja mal“, ein Mitglied war der Meinung, Frauen gehörten nicht auf Stammtische, „ausländerkritisch“ zu sein galt in einer Twitterdiskussion als vollkommen in Ordnung.
Derartige Aussagen werden oft als „Einzelmeinungen“ abgetan – gerade in einer Partei, die sich ihrer starken Basis rühmt, darf das keine Rechtfertigung sein.
Auch die Meinungsfreiheit wird in Reaktion auf Empörung über diskriminierendes Verhalten immer wieder genannt. Im Zusammenhang mit Rassismus, Sexismus, Homophobie, Ableismus, Transphobie und anderen Diskriminierungsformen auf die Meinungsfreiheit zu verweisen räumt diesen Verhaltensweisen eine Legitimität ein, die ihnen nicht zusteht und lässt sie als subjektiv vertretbar erscheinen („man muss das nicht gut finden, aber es hat nunmal jeder seine eigene Meinung“).
Als @Kekspiratin auf Twitter äußerte, sie würde sich, so rassistisch es klänge, „auch nicht von Ausländern pflegen lassen“ (eine Reaktion auf entsprechende Aussagen von Barbara Scheel bei Anne Will), reagierten viele Twitterer mit Empörung. In Reaktion auf diese folgten erneut Relativierungen: in einem Interview mit einer anderen Twitterin erklärte @Kekspiratin, ihre Aussage habe nichts mit Rassismus zu tun, da sie nicht „per se schlecht über Ausländer“ denke. Außerdem erschien kurz darauf ein Artikel des Bloggers und Piratenmitglieds xwolf (kurzzeitig war der Artikel auch auf der Webseite der bayrischen Piraten gegen Rechtsextremismus zu sehen). Der Autor mahnt: „Aber niemand sieht in den Kopf des Autoren. Trotzdem maßen auch wir uns an, einen [sic] Urteil über diese Personen zu bilden. Aus 140 Zeichen. Ist das nicht auch eine Form von Rassismus? Nicht einer der gegen “Rassen” geht, sondern gegen Geisteshaltungen und Gefühlslagen.“
Abgesehen davon, dass „Rassismus“ hier auf absurde Weise umdefiniert wird, wird außerdem impliziert, dass Rassismus beabsichtigt sein müsse. Auch diese Argumentation findet sich oft. Sobald eine rassistische (oder auch anderweitig diskriminierende) Aussage kritisiert wird, wird von verschiedenen Seiten angemahnt, nicht vorschnell zu urteilen – es weiß doch niemand, ob die Person „wirklich“ Rassist/-in ist. In dieser Argumentation zeigt sich ein massives Unverständnis gegenüber den Wirkungsmechanismen von Diskriminierung.
Aber auch ein anderes Problem der Piratenpartei zeigt sich in den immer wieder aufkommenden Diskussionen um Diskriminierung: die starke Identifikation vieler Mitglieder mit der Partei.
Die Piratenpartei widmet sich Themen, die bisher eher am Rande behandelt wurden und fordert einen neuen Politikstil. Dadurch scheint sie für viele Mitglieder eine große Hoffnung darzustellen — Kritik daran führt zu Verunsicherung und diese wiederum zu Abwehr. Das zeigt sich in den starken Abwehrreaktionen (z.B. auf negative Berichterstattung), sowie dem Umgang mit angesprochenen Problemen. So wird bspw. die geringe Frauenzahl in der Partei oft ins Positive umgedeutet: Frauen würden „zu nichts gezwungen“ und außerdem „kann doch jeder mitmachen“. Außerdem würden Frauen lieber im Hintergrund arbeiten, Männer evolutionär bedingt eher im Vordergrund. Eine wirkliche Beschäftigung mit dem Problem erfolgt in weiten Teilen nicht, gesellschaftliche Strukturen werden verkannt.Gerade für eine Partei, die sich als „Mitmachpartei“ bezeichnet, die eine freie Presse fordert und dafür plädiert Fehler in der Politik einzugestehen und sich über Sachverhalte zu bilden, bevor eine Meinung vertreten wird, sind diese Abwehrreaktionen sowie Diskriminierung bzw. die Duldung dieser beschämend. Die Jungen Piraten fordern eine kritische Auseinandersetzung mit Diskriminierung in der Partei. Rufe nach Meinungsfreiheit, der Verweis auf „Einzelmeinungen“ und Verklärung des Problems dürfen nicht mehr die Debatte bestimmen. Wir hoffen, dass die Piratenpartei sich klar gegen jegliche Formen der Diskriminierung bekennt – und dass es dabei nicht bei einem Lippenbekenntnis bleibt.
NACHTRAG: Wir nehmen uns bei der Problematik natuerlich nicht aus, aber wir arbeiten gegen Diskriminierung innerhalb des Vereins.
Danke an die JuPi’s, sehe ich ebenso, wir dürfen keinen Raum lassen für Rassismus und Diskriminierung in der Partei. Nicht weil uns die Altparteien und die Presse dafür immer wieder angreifen können, sondern weil Rassismus und Diskriminierung unserem Selbstverständnis als Piraten widerspricht.
Und ja ich habe zu dem Thema meine Meinung grundlegend geändert, der fortwährende Verweis auf Einzelmeinungen und die hirnverbrannte Rechtfertigung mit Meinungsfreiheit hilft uns nicht weiter. Durch Duldung schaffen wir ein Klima, das den Nährboden bildet, den wir uns alle nicht wünschen.
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Ein Kommentar zu Offener Brief der Jungen Piraten an die Piratenpartei
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