Eine Milliarde Euro kostet alleine die jüngste, heimlich durchgezogene Verlängerung der Copyrightdauer für nachgespielte Musik (nicht für Kompositionen) von 50 auf jetzt 70 Jahre nach der Tonaufnahme durch die EU. Bezahlt wird diese Milliarde von der Allgemeinheit, von jedem von uns, und verteilt wird das Geld nicht etwa in erster Linie an arme Sessionmusiker und Backgroundsängerinnen (zusammen 4%), sondern komplexen Vertragswerken folgend an die immer gleichen Musikkonzerne, nämlich 72 %; weitere 24 % gehen an die immer gleichen Superstars. Martin Kretschmer, Direktor des Bournemouth University Centre für Intellectual Property Policy & Management, hat das nachgerechnet.
Das ist gutes Beispiel für den heute so beliebten Kapitalkommunismus (ich nenn das jetzt mal so), in dem Profite durch Gesetzesänderungen erzielt werden und nicht durch Erfolge auf dem freien Markt. Der freie Markt ist somit zur Farce geworden.
Wer da nicht mitmachen will, bekommt sofort und bereitwillig einen Platz in der Verbrecherkartei angeboten. Privatkopie und private Weitergabe von Kultur- und Wissendaten sind aus der Perspektive der Kapitalkommunisten Raub und Piraterie. Ein deutscher Politiker fordert, bei zweimaligem Vorwurf der privaten Weitergabe via Internet den Zugang zu diesem zu sperren. Ein italienischer Politiker fordert Entsprechendes schon beim ersten Vorwurf.
Wem gehören Kultur, Wissen und Nachrichten? Dem, der zuerst eine Klage einreicht? Eine US-Klatschpublikation (Deadline) verklagt gerade eine andere (Hollywoodreporter), weil letztere die selben News bringt wie erstere. Und das auch noch zur selben Zeit oder nicht viel später! Das ist doch Diebstahl von geistigem Eigentum!
Nein, ist es nicht. Erstens ist es kein Diebstahl (weil das Objekt des behaupteten Verbrechens ja noch da ist, jeder kann die News auf Deadline sehen) und zweitens gibt es überhaupt kein geistiges Eigentum, sondern maximal ein von der Gesellschaft gewährtes Recht („Privileg“) des Urhebers von Wissen und/oder Kultur auf zeitlich begrenzte kommerzielle Verwertung der eigenen geistigen Leistung.
Dass dieses Privileg begrenzt ist, und ausserdem keine frei handelbare Ware, hat bisher kaum öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Kein Wunder, die Verwerterlobby (a.k.a. Kapitalkommunisten) gibt sehr viel Geld dafür aus, um uns alle von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Entsprechend wenig Widerstand kommt aus den Reihen der Volksvertreter, die alle, mit sehr wenigen, einzelnen Ausnahmen, in den Chor der Kapitalkommunisten einstimmen.
Und das ist die andere historische Aufgabe der Piratenpartei: Nicht nur die Bürgerrechte zu wahren, die in den Wirren der Informationsrevolution unterzugehen drohen, sondern den Besitz von Kultur und Wissen nicht kampflos Leuten (a.k.a. Konzernen) zu überlassen, die sich daran einseitig bereichern wollen. Noch nie in der Geschichte unserer Zivilisation stand der Besitz von Wissen und Kultur auf dem Spiel. Das ist eine neue Dimension von Privatisierung, nach Land, Rohstoffen, Lebensmitteln soll die reine Information, unabhängig von ihrer Quelle, kommerzialisiert werden. Nicht mit uns. Wir werden das verhindern. Und ihr werdet es bereuen, uns jemals den Namen „Piraten“ gegeben zu haben. Versprochen.
Das Bild oben hat Ivan Konstantinowitsch Aivazovsky gemalt.